Arbeitnehmer können auch Teilurlaubstage beanspruchen

Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 21.09.2015 – 8 Sa 46/14

Arbeitnehmer können auch Teilurlaubstage beanspruchen

Einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung von Teilurlaubstagen stehen grundsätzlich keine Rechtsgründe entgegen, soweit sichergestellt ist, dass pro Kalenderjahr jedenfalls ein Teilurlaub in Form von 12 aufeinanderfolgenden Werktagen gewährt wird.

Der Arbeitgeber kann Ansprüche auf Teilurlaubstage nur ablehnen, soweit dem im Einzelfall dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27.05.2014 (21 Ca 371/13) abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Beachtung von § 7 II BUrlG auf seinen Wunsch halbe Urlaubstage zu gewähren, sofern dem nicht im Einzelfall dringende betriebliche Erfordernisse oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegen stehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang genießen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Frage, ob der Kläger halbe Urlaubstage beanspruchen kann.
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Der 57 Jahre alte mit einem Grad von 70 % behinderte Kläger ist seit dem 01.09.2002 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 11.09.2002 (Anl. K1, Bl. 4 – 7R d.A.) bei der Beklagten als Percussionist in Vollzeit für eine monatliche Vergütung von zuletzt € 4.800,- tätig. Nach § 8 I des Arbeitsvertrags erhält der Kläger, seit sein Arbeitsverhältnis länger als 48 Monate besteht, 30 Werktage Jahresurlaub.
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Der Kläger wird für das Musical „X“ eingesetzt, welches regelmäßig einmal pro Tag gespielt wird. An einigen Tagen – in der Regel Sonnabend und sonntags – gibt es Nachmittags- und Abendvorstellungen. Bis Oktober 2012 genehmigte die Beklagte dem Kläger an diesen Doppel-Show-Tagen jeweils halbe Urlaubstage. Der Kläger hatte dadurch auch an den Doppel-Show-Tagen nur an einer Vorstellung mitzuwirken, ohne Einkommensverluste hinnehmen zu müssen. Seit diesem Zeitpunkt weigert sich die Beklagte, dem Kläger halbe Urlaubstage zu genehmigen.
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Der Kläger hat vorgetragen, Doppel-Show-Tage belasteten ihn psychisch und physisch sehr stark. Dem könne er durch halbe Urlaubstage entgegenwirken, ohne Gehaltseinbußen in Kauf nehmen zu müssen. Durch die Änderung ihrer Genehmigungspraxis verletze die Beklagte ihre Verpflichtung, ihm als behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben zu ermöglichen.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auf dessen Urlaubswunsch jeweils halbe Urlaubstage an Doppelshowtagen zu gewähren;
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2. die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf dessen Antrag Dienstbefreiung bezogen auf eine Vorstellung (4 Stunden pro Tag) in Form von Urlaub an Doppelshowtagen zu gewähren,
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen
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Sie hat die Ansicht vertreten, das Bundesurlaubsgesetz lasse halbe Urlaubstage nicht zu.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 76 – 79 d.A.) wird Bezug genommen.
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Gegen das am 27.05.2014 verkündete und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.06.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.07.2014 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11.09.2014 – an diesem Tag begründet.
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Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe dem Bundesurlaubsgesetz zu Unrecht ein Verbot entnommen, halbe Urlaubstage zu gewähren. Außerdem habe es die in der Behinderung des Klägers liegenden persönlichen Gründe unberücksichtigt gelassen. Letztlich habe das Arbeitsgericht dem Kläger eine behindertengerechte Beschäftigung versagt. Durch die Ablehnung halber Urlaubstage werde der Kläger als Behinderter diskriminiert, da er auch diese Art der Urlaubsgewährung zum Erhalt seines vollen Arbeitseinkommens angewiesen sei.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27.05.2014 (21 Ca 371/13) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen
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1. a) dem Kläger auf dessen Urlaubswunsch jeweils halbe Urlaubstage an Doppelshowtagen zu gewähren, es sei denn dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.
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hilfsweise
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b) dem Kläger auf dessen Urlaubswunsch im Umfang seines vertraglichen Urlaubsmehranspruchs jeweils halbe Urlaubstage an Doppelshowtagen zu gewähren, es sei denn dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.
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weiter hilfsweise
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2. a) dem Kläger auf dessen Antrag Dienstbefreiung bezogen auf eine Vorstellung (4 Stunden pro Tag) in Form von halben Urlaubstagen zu gewähren, es sei denn dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.
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hilfsweise
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b) dem Kläger auf dessen Antrag Dienstbefreiung bezogen auf eine Vorstellung (4 Stunden pro Tag) in Form von halben Urlaubstagen im Umfang seines vertraglichen Urlaubsmehranspruchs zu gewähren, es sei denn dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.
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weiter hilfsweise
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3. dem Kläger auf dessen Antrag unter Beachtung der gesetzlichen Regelung in § 7 II 2 BUrlG Erholungsurlaub bezogen auf eine Vorstellung (vier Stunden pro Tag) in Form von halben Urlaubstagen zu gewähren, es sei denn dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.
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Die Beklagte hat der Klageänderung widersprochen und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Anträge des Klägers seien bereits unzulässig, insb. handele es sich bei dem Hilfsantrag zu 3 um eine in zweiter Instanz unzulässig Klageänderung.
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Die Anträge des Klägers seien auch in der Sache unbegründet. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts bestehe kein Anspruch auf die Gewährung von Teilurlaubstagen. Ein etwaiger Anspruch sei jedenfalls durch § 8 III des Arbeitsvertrags der Parteien ausgeschlossen. Die Gesamturlaubsplanung der Beklagten sehe Teilurlaubsansprüche nicht vor. Die Praxis der Beklagten in der Vergangenheit sei für die Beurteilung des Rechtsstreits ohne Bedeutung, weil eine ggf. rechtswidrige Vorgehensweise die Beklagte nicht binde. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte, sofern Teilurlaubsansprüche bestünden, befürchten müsse, mit einer für sie nicht zu bewältigenden Flut von Urlaubsanträgen konfrontiert zu werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet.
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I. Die Anträge des Klägers sind zulässig. Sie sind insbesondere hinreichend bestimmt, da das Begehren des Klägers eindeutig erkennbar ist.
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1. Die Anträge bedürfen allerdings der Auslegung. Soweit durch die uneingeschränkte Formulierung der Eindruck entstehen könnte, der Kläger verlange die Erteilung von Urlaub unabhängig vom Bestehen eines Urlaubsanspruchs im jeweiligen Kalenderjahr, so ergibt sich aus dem gesamten Vorbringen, dass die Parteien nur darüber streiten, in welcher Form bestehende Urlaubsansprüche zu erfüllen sind.
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2. Entgegen der Auffassung der Berufung handelt es sich auch nicht um unzulässige Globalanträge, weil der Kläger in seiner Antragstellung der Befugnis der Arbeitgeberin Rechnung getragen hat, über einzelne Urlaubsanträge unter Berücksichtigung betrieblicher Belange und Urlaubsanträgen anderer Arbeitnehmer zu entscheiden.
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3. Bei der erstmals in zweiter Instanz erfolgten Bezugnahme auf § 7 II 2 BUrlG handelt es sich zwar um eine Klageänderung, allerdings um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Beschränkung des Antrags. Die Klageänderung ist auch sachdienlich, weil sie ermöglicht, die zwischen den Parteien allein streitige Frage gerichtlich zu klären. Außerdem sind für die Entscheidung über den Antrag zu 3 keine weitergehenden Feststellungen erforderlich (§ 533 Nr. 2 ZPO).
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II. Die Berufung des Klägers ist im Wesentlichen begründet, denn nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Beklagte die Gewährung halber Urlaubstage nicht grundsätzlich verweigern. Dies gilt allerdings nur, soweit das BUrlG die Gewährung von zusammenhängendem Urlaub nicht zwingend vorschreibt.
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1. Die Anträge zu 1 und 2 – einschließlich der diesbezüglichen Hilfsanträge – sind unbegründet, weil sie nicht berücksichtigen, dass nach § 7 II 2 BUrlG ein Urlaubsteil mindestens 12 Werktage umfassen muss, selbst wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe für eine Teilung des Urlaubs vorliegen.
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2. Der Antrag zu 3 ist begründet. Der Kläger hat, soweit sein Urlaubsanspruch im laufenden Kalenderjahr noch mehr als 12 Werktage beträgt oder er im laufenden Kalenderjahr bereits einen zusammenhängenden Urlaub von mindestens 12 Werktagen erhalten hat, Anspruch auf Urlaub, der – wenn er es wünscht – auch in Form halber Urlaubstage zu gewähren ist, soweit dem nicht im Einzelfall dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen.
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a) Dass die Gewährung von Teilen von Urlaubstagen möglich ist, ergibt sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.01.1989 (8 AZR 730/87). In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht die noch im Urteil vom 28.11.1968 (5 AZR 133/68 = BAGE 21, 230) vertretene Auffassung, auf das sich die Berufung ganz wesentlich stützt, ausdrücklich aufgegeben. Dafür, dass die Gewährung halber Urlaubstage möglich ist, spricht auch die von der Beklagten bis 2012 über viele Jahre geübte Praxis.
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Ob auf die Erteilung von Teilurlaubstagen ein Rechtsanspruch bestehen kann, ist höchstrichterlich bisher nicht abschließend geklärt. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des BAG vom 29.07.1965 (5 AZR 380/64) ist allerdings nicht einschlägig, weil sie einen Fall betrifft, in dem der Arbeitgeber – gegen den Willen des Arbeitnehmers – halbe Urlaubstage erteilt hat. Die Entscheidung des BAG v. 21.11.2006 (9 AZR 97/06) behandelt die insolvenzrechtliche Einordnung von Urlaubsansprüchen. Das Urteil vom 28.11.1968 (5 AZR 133/68 = BAGE 21, 230) hat sich recht klar gegen einen Teilurlaubsanspruch ausgesprochen. Im Urteil vom 26.01.1989 (8 AZR 730/87) hat das Bundesarbeitsgerichts diese Rechtsauffassung jedoch aufgegeben, ohne sich ausdrücklich zur Frage eines Anspruchs auf Teilurlaubstage zu positionieren. Das LAG Düsseldorf (Urt. v. 25.07.2007 – 12 Sa 944/07; Urt. v. 05.10.2004 – 10 Sa 1306/04) hält einen Anspruch auf Teilurlaubstage für ausgeschlossen; das LAG Niedersachsen (Urt. v. 23.04.2009 – 7 Sa 1655/08) hält ihn für zulässig. Die Literatur steht einem Anspruch auf Teilurlaubstage ganz überwiegend ablehnend gegenüber (ErfK-Gallner, 15. Aufl. 2015, § 7 BUrlG Tz 25ff; BeckOK-Lampe, Stand 01.06.2015, § 7 BUrlG Tz 14ff; Neumann/Fenski, BUrlG 10.Aufl. 2011; § 7 Tz 55ff; Arnold/Tillmanns-Arnold in PK BUrlG 3. Aufl. 2014, § 7 Tz 10ff).
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b) Nach Auffassung der Kammer können Urlaubsansprüche grundsätzlich auch in Form halber Urlaubstage verlangt und erfüllt werden. Die vom Arbeitsgericht vertretene gegenteilige Auffassung ist dem Wortlaut des BUrlG – wohl unstreitig – nicht zu entnehmen. Sinn und Zweck des BUrlG gebieten ebenfalls keine solche Einschränkung. Die Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei der Gestaltung des Urlaubs sind im Bundesurlaubsgesetz abschließend geregelt. Danach hat der Arbeitgeber bei der Festlegung des Urlaubs die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Zu einer Abweichung von den Urlaubswünschen des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber nur berechtigt, wenn dringende betriebliche Belange oder sozial vorrangige Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer dies erfordern. § 7 I BUrlG räumt dem Arbeitgeber ausdrücklich nicht die Möglichkeit ein, einen Urlaubswunsch deshalb abzulehnen, weil der Erholungszweck des Urlaubs – nach Ansicht des Arbeitgebers – nicht gewährleistet ist. Durch welche Art der Arbeitsunterbrechung „Erholung“ eintritt, ist zudem eine höchst subjektive, rechtlicher Bewertung nur bedingt zugängliche Frage. Die Wahrung eines Erholungszwecks als immanente Schranke für Urlaubsansprüche anzunehmen, würde deshalb zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Mit der gleichen Vehemenz, mit der die Beklagte dieses Verfahrens die Ansicht vertritt, halbe Urlaubstage hätten keinen Erholungswert, könnten andere Arbeitgeber jeder Form von Kurzurlaub – auch über mehrere Tage – den Erholungswert absprechen. Belastbare Fakten für die eine oder andere Auffassung sind nicht ersichtlich.
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Aus dem Gebot, den Urlaub zusammenhängend zu gewähren, in § 7 II 1 BUrlG lässt sich nach Auffassung der Kammer ebenfalls kein Verbot der Teilung von Urlaubstagen entnehmen. Denn der Anspruch auf zusammenhängende Gewährung des Urlaubs steht unter dem Vorbehalt dringender betrieblicher oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe. Diese Gründe stehen gleichberechtigt nebeneinander, so dass auch ein (nur) in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund genügt, um von der Regel des zusammenhängenden Urlaubs abzuweichen. Eine Grenze für Abweichungen von der Regel des zusammenhängenden Urlaubs enthält § 7 II 2 BUrlG. Arbeitnehmern, deren Jahresurlaub mindestens 12 Werktage umfasst, muss dieser Zeitraum zwingend zusammenhängend gewährt werden. In welchem Umfang der Erholungszweck des Urlaubs Vorrang vor etwaigen Interessen der Vertragspartner hat, hat der Gesetzgeber damit abschließend geregelt.
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c) Im vorliegenden Fall hat der Kläger mit seiner eingeschränkten Belastungsfähigkeit jedenfalls einen in seiner Person liegenden Grund angeführt, der einer zusammenhängenden Urlaubsgewährung entgegenstehen kann. Ob dieses Anliegen bei jedem einzelnen Urlaubsantrag des Klägers tatsächlich vorliegt, bedarf angesichts des streitgegenständlichen Verfahrens keiner Entscheidung.
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d) Soweit die Beklagte die Ansicht zu vertreten scheint, der Arbeitsvertrag der Parteien schließe einen Anspruch auf Teilurlaubstage aus, übersieht sie die einzelvertragliche Unabdingbarkeit des Bundesurlaubsgesetzes (§ 13 I BUrlG).
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e) Ein Teilurlaubsanspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte mit einer organisatorischen Überforderung durch eine Vielzahl von Anträgen rechnen müsste.
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aa) Es fehlt bereits an einer tatsächlichen Grundlage für die Befürchtung der Beklagten, mit einer Vielzahl von Anträgen konfrontiert zu werden. Die Beklagte hat dazu – außer ihrer Befürchtung – nichts Konkretes vorgetragen.
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Da die Beklagte einen Anspruch von Arbeitnehmern auf einzelne Urlaubstage einräumt, wäre im Übrigen – im schlimmsten Fall, also wenn alle Arbeitnehmer der Beklagten ihre Urlaubsanträge teilen würden – mit einer Verdoppelung der Urlaubsanträge zu rechnen. Weshalb die Beklagte dadurch überfordert wäre, hat sie nicht vorgetragen.
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bb) Unabhängig davon wäre eine organisatorische Überforderung nicht geeignet, die Beklagte von der Befolgung allgemeiner Gesetze freizustellen.
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3. Selbst wenn sich ein Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Teilurlaubstagen in dem unter II.2 dargestellten Umfang nicht aus dem Bundesurlaubsgesetz herleiten ließe, wäre die Beklagte im vorliegenden Fall gemäß § 242 BGB daran gehindert, sich dem Kläger gegenüber auf das Fehlen eines Rechtsanspruchs zu berufen. Die Beklagte hat nämlich durch die jahrelange vorbehaltlose Genehmigung entsprechender Urlaubsanträge einen Vertrauenstatbestand geschaffen.
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Dabei kann offen bleiben, ob im Betrieb der Beklagten eine entsprechende betriebliche Übung besteht, denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte Teilurlaubswünschen auch anderer Arbeitnehmer in der Vergangenheit regelmäßig entsprochen hat. Jedenfalls handelt es sich aber um eine dem Kläger gegenüber geübte Praxis, von der die Beklagte nicht ohne sachlichen Grund Abstand nehmen kann. Einen sachlichen Grund, der über das – nach Ansicht der Beklagten – Fehlen eines Rechtsanspruchs des Klägers hinausgeht, hat die Beklagte trotz entsprechender Nachfrage der Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen.
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4. Die Kammer vermag schließlich auch nicht festzustellen, dass der Kläger durch die Inanspruchnahme von Teilurlaubstagen rechtsmissbräuchlich handeln würde.
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Ein Rechtsmissbrauch käme in Betracht, wenn der Kläger das sich aus §§ 1, 7 BUrlG ergebende Recht auf Teilurlaubstage dazu nutzen würde, andere Ziele zu erreichen, auf die er keinen Rechtsanspruch hat (vgl. BAG v. 11.06.2013 – 9 AZR 786/11 – Tz 11 für ein geringfügiges Teilzeitverlangen).
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Die Beklagte hat jedoch keine Umstände vorgetragen, die das Begehren des Klägers als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Der Wunsch des Klägers nach (teilweiser) Entlastung von der Arbeitspflicht ist dem Urlaubsrecht jedenfalls nicht fremd. Die Beklagte hat im Übrigen im Einzelfall ohnehin die Möglichkeit, Teilurlaubsanträge des Klägers abzulehnen, wenn sie geltend machen kann, dass ihnen dringende betriebliche Belange entgegenstehen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 91 I ZPO. Da die Anträge des Klägers alle auf die Klärung der gleichen Rechtsfrage abzielen, sind sie wirtschaftlich gleichwertig. Die Beklagte ist deshalb, trotz Unbegründetheit der Anträge zu 1 und 2 wirtschaftlich insgesamt unterlegen.
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IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 II Nr. 1 ArbGG.

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